Do. 8.12.22
Unsere Zeit in Kenia neigt sich ihrem Ende zu, Gestern waren wir im Kakamega Rainforest, aus zeitlichen Gründen kann ich aber leider nicht von jedem Tag einen Reisebericht veröffentlichen. Ab jetzt geht es für uns in Uganda weiter. Wir stehen um 5 Uhr auf, vor uns liegen zwei Stunden Fahrt nach Kisumu. Von Kisumu fliegen wir nach Nairobi, dort verabschieden wir uns von Klaus und Catherine und fliegen weiter nach Entebbe. Unser CO2-Fußabdruck nimmt so langsam richtig Gestalt an. Entebbe liegt direkt neben Kampala, der Hauptstadt von Uganda. Abgeholt werden wir von John Paul, einem chaotischen, energiegeladenen Mann. John Paul und der Nangina e.V. kennen sich schon lange, zuletzt hat er uns Ende August besucht und uns Neuigkeiten aus seiner Gehörlosenschule in Mityana mitgebracht, welche wir unterstützen. Wir fahren ca. zwei Stunden nach Mityana und sammeln unsere ersten Eindrücke von Uganda. Der größte Unterschied zu Nairobi ist, dass es deutlich grüner ist, ansonsten ist alles sehr ähnlich. Die Dörfer, durch die wir kommen, sind ähnlich aufgebaut, nur die Straßen sind etwas schlechter. Auf manchen Streckenabschnitten sind Schlaglöcher wie Minenfelder verteilt und genau wie durch ein Minenfeld fährt man durch diese Abschnitte auch durch, nämlich langsam und vorsichtig, da einige Schlaglöcher wirklich tief sind. Die Leute fahren genauso verrückt, wie in Kenia, überall gibt es Boda-Fahrer und Airtel hat auch hier alle möglichen Häuser angemalt. Was neu ist, sind Konstruktionen mit denen Heuschrecken gefangen werden. Mehrere Meter hohe Wellblechwände, die zu einer Seite hin offen sind, mit einem hellen Licht oben, mit dem die Heuschrecken angelockt werden. Gefangen werden die Heuschrecken mit Rauch, der sie ohnmächtig werden lässt und sie in ein Auffangbecken fallen lässt. Die Heuschrecken werden dann entweder noch lebend oder knusprig geröstet verkauft. Wer sie rösten will, muss ihnen vorher Flügel und Beine entfernen, bevor sie in der Pfanne landen.
Wir kommen über eine wirklich schreckliche Straße bei John Paul Zuhause an. Begrüßt werden wir von Adolf, Peter und Ann. Adolf und Peter hat John Paul bei sich zuhause aufgenommen und ihre Ausbildungskosten übernommen. Ann lebt permanent bei ihm und kümmert sich um seinen Haushalt. Wir kommen in einem kleinen Gebäude unter, welches aus zwei Räumen mit insgesamt drei Betten und einem Badezimmer besteht. Ein ganz besonders schönes Willkommensgeschenk erwartet uns auf unseren Betten. Dort liegt jeweils Portraits von uns. Nach einem wirklich leckeren Essen gehen wir ins Bett.
Fr. 9.12.22
Am nächsten Morgen probiere ich beim Frühstück das erste Mal geröstete Heuschrecken, welche überraschenderweise wirklich gut schmecken. Sie sind schön salzig und crunchy, aber nicht so trocken wie Salzstangen. Ein perfekter proteinreicher Snack! Nach dem Frühstück zeigt uns John Paul sein Grundstück. Es gibt einmal die Hauptgebäude, bestehend aus seinem Haus mit vier Zimmern, einer Garage und einem Gästehaus, in welchem wir untergekommen sind und daneben noch drei kleine Ställe, mit jeweils einem Schwein, zwei Hundehütten und einen Hühnerstall. Zwei Schäferhunde bewachen sein Grundstück in der Nacht, zwei kleinere Hunde sind tagsüber draußen. Er hat einen kleinen Garten, in dem er hauptsächlich Bananen, Kochbananen und Papayas anbaut. Kochbananen, sogenannte „Matokes“, sind hier in Uganda unglaublich weit verbreitet. Sie werden, wie der Name schon sagt, gekocht und lassen sich anschließend in Geschmack und Konsistenz mit Kartoffeln vergleichen. John Paul führt uns durch seine Nachbarschaft und zeigt uns, wie die Leute hier leben. Grüßen kann er alle, da er hier wirklich jeden kennt. In den Gärten der Menschen wachsen vor allem Matokes, Papayas, Mangos, Kaffee und Jackfruit. Die Frauen kümmern sich um Hof, Haus und Kinder, während die Männer hauptsächlich in den Städten arbeiten. Wir fahren gemeinsam zu einem kleinem Gebäude, welches der Nangina e.V. für John Paul und seine Julina Memorial School gebaut hat. Im einstöckigen Haus befindet sich ein Restaurantbetrieb und zwei weitere zu vermietende Räumlichkeiten. Die Verkaufs- und Mieteinnahmen unterstützen die Gehörlosenschule bei ihren laufenden Kosten. Wir kaufen uns jeder einen großen Becher Eis für jeweils 3000 Ugandische Schilling, umgerechnet 77 Cent. Das Restaurant ist ein Treffpunkt für gehörlose Menschen aus der ganzen Umgebung. Viele der Mitarbeitenden sind ehemalige Schüler der Gehörlosenschule. Während wir unser Eis essen, unterhalten wir uns per Stift und Papier mit den beiden Mitarbeiterinnen des Restaurants. Merry ist 25 und arbeitet hier in Vollzeit, Ruth ist 15 und hat letztes Jahr die Primary School abgeschlossen und arbeitet hier während der Ferien.
Taubheit und Blindheit sind hier in Afrika viel weiter verbreitet, als bei uns in Europa. Durch Mengingitis, Masern, Mittelohrentzündungen und durch Graue oder Grüne Stare verlieren viele Menschen ihr Gehör oder erblinden. Umso wichtiger ist es ihnen eine Perspektive zu bieten und sie ins gesellschaftliche Leben miteinzubeziehen, weshalb Angebote, wie die von John Paul so unglaublich wertvoll sind. In Kenia haben wir gesehen, wie auch von Institutioneller Seite auf die Bedürfnisse von solchen Menschen eingegangen wird. In Kisumu wurde der Gottesdienst parallel in Zeichensprache übersetzt und in Kibuk haben wir erfahren, dass es jedes Jahr immer drei Varianten der offiziellen Prüfungen gibt. Einmal für Menschen ohne Einschränkungen, einmal für Menschen mit einer starken Sehschwäche und einmal für Menschen die gar nichts sehen können.
Wir machen uns auf den Weg zur Julina Memorial School. Unterwegs machen wir noch einen kurzen Abstecher zu einer Bank, in die John Paul uns reinschleppt und in der er ausnahmslos alle Mitarbeitenden kennt. Wir finden uns plötzlich im Büro des Bankdirektors wieder, um kurz hallo zu sagen. John Paul ist hier in Mityana wirklich allseits bekannt. Auch auf dem anschließenden Weg zur Schule hat er die ganze Zeit sein Fenster unten und grüßt verschiedenste Menschen.
Wir kommen in der Schule an. Gerade sind Schulferien, weshalb wir, wie auch schon in der Kibukschule, keine Schüler antreffen. Begrüßt werden wir von Mitgliedern des Lehrpersonals. Einige von ihnen sind selber Gehörlos. Wir werden durch die Schlafsäle, die Klassenräume, die sanitären Anlagen und die Küche geführt. In vielen der Klassenräume sind auf beiden Seiten der Klasse Tafeln und Stühle, hier können zwei Klassen parallel unterrichtet werden. Gearbeitet wird logischerweise mit sehr vielen Bildern, weshalb die Wände damit behangen sind. Wir lernen ein bisschen ugandische Zeichensprache. Ich lerne die Zahlen von 1 bis 10 und ein paar Zeichen für verschiedene Nahrungsmittel. Es gibt auch eine außenliegende Werkstadt und einen Raum, in dem den Schülern das Nähen beigebracht wird. Wir essen Maiskolben in der „Nangina Hall“, eine von uns gesponserte Essens- und Versammlungshalle. Wenn wir etwas erzählen, übersetzt eine der Lehrerinnen, welche nicht gehörlos ist alles für die anderen.
Wir fahren zurück. Bei John Paul zuhause sind noch die zwei Töchter seines Bruders dazu gekommen. Hier ist immer etwas los.
Wir gehen schlafen, morgen geht’s für uns zu einer traditionellen Beerdigungszeremonie in Mpigi. Anschließend werden wir von Sister Christine abgeholt, um für den letzten Abschnitt unserer Reise nach Mbarara zu fahren.
Hier erfahrt ihr mehr über die Gehörlosenschule.
Bis dahin!