Nach Corona-Pause besuchen wir endlich wieder einige unserer Projekte. In den nächsten 16 Tagen geht es für uns einmal quer durch Ostafrika: Nairobi, Kathonzweni, Kisumu, Kibuk, Kampala, Mityana und Mbarara heißen unsere Reisestationen. Wir stellen uns also auf eine stressige Reise ein, freuen uns natürlich aber auch riesig auf unsere Projektpartner. Updates werden hier regelmäßig (ich versuche täglich) hochgeladen. Wir fliegen zu dritt: Friedhelm Ribberger (Ribbi), Michael Stoltz und Ich (Fynn Meining). Für mich ist es die erste Reise nach Afrika und ich bin sehr auf die Erfahrungen gespannt, die ich mitnehmen werde.
Unsere Reise startet am Montagabend den 28.11.2022 in Frankfurt. Nachdem Ribbi rückwärts fast eine Rolltreppe runterpurzelt und ihm dann beim Boarding noch ein Koffer aus dem Handgepäckfach auf den Kopf fällt, geht es los (keine Sorge, es geht ihm gut). Unser Flug geht von Frankfurt über Addis Abeba nach Nairobi. Dienstagmorgen in Addis Abeba ausgestiegen, treffen wir auf einige Menschen, die mit ihrem Gepäck auf dem Kopf balancierend über den Flughafen spazieren, obwohl sie die Hände frei haben. Dabei sehen sie so entspannt aus, dass diese Praxis Gepäck zu transportieren auf mich gar nicht umständlich wirkt.
Weiter geht’s nach Nairobi: Zwei Stunden Flug und ein Stempel im Reisepass später mache ich meine ersten Erfahrungen mit kenianischer Korruption, als wir unser Gepäck holen wollen. Wir werden von einem seriös wirkenden Mann mit Umhängeausweis abgefangen, der erstmal unsere Pässe sehen will und dann mit meinem einfach in Richtung Gepäckausgabe davonspaziert. Perplex folge ich ihm, er führt uns zu unserem Gepäck, nimmt mich zur Seite und erzählt mir dann irgendwas davon, dass er gerne ein „Tip“ (Trinkgeld) hätte, weil ich so nett wäre und es von Herzen kommen würde. In dieser Situation mache ich dann wohl einen ziemlichen Anfängerfehler. Ich fühle mich irgendwie bedroht, weiß nicht was passiert wenn ich ihn einfach stehen lasse. Außerdem hält er immer noch meinen Pass in der Hand. Die anderen beiden stehen ein paar Meter weiter und kriegen nicht mit, was passiert. Ich lasse mir meinen Pass geben, gebe ihm fünf Dollar und guck, dass ich schnell wegkomme. Etwas zu spät wird mir dann erklärt, dass man Menschen, die hier Geld von einem wollen, zur eigenen Sicherheit einfach stehen lassen sollte.
Empfangen werden wir vom italienischen Father Maurizio Binanghi, der als Comboni Missionar bei Napenda Kuishi Trust arbeitet, ein Berufsausbildungs- und Rehabilitierungsprogramm, bei welchem Kinder aus Slums geholt werden um ihnen eine Chance zu geben ihr Leben eigenständig zu gestalten. Wir fahren zu unserer ersten Bleibe, einem Grundstück mit mehreren kleinen Häusern, ganz am Rand von Nairobi, auf dem 28 Jungs aus dem Rehabilitierungsprogramm leben. Die Fahrt dauert etwas über eine halbe Stunde, in denen ich meine ersten Eindrücke von dem Leben in Nairobi bekomme. Armut und Reichtum sind hier unglaublich nah beieinander. Wir fahren am Rand der Stadt entlang. Auf der linken Straßenseite der Nairobi National Park mit Giraffen und Zebras, auf der rechten Straßenseite Wellblechhütten, vor denen die Menschen mit offenem Feuer kochen. Unterbrochen wird die Szenerie immer wieder von eingezäunten Häusern und Hotels. Wir fahren immer weiter aus Nairobi raus, durch kleine „Wellblechdörfer“, über deren Straßen viele junge Kinder in ordentlichen Schuluniformen laufen, die wohl gerade Schulschluss haben.
Angekommen im Guest House, richten wir uns erstmal ein und machen nach der Reise einen kleinen Mittagsschlaf, bevor wir uns dann auf den Weg ins Hauptgebäude machen, um die Jungs kennen zu lernen. Begrüßt werden wir mit einem traditionellen Tanz, inklusive Gesang. Danach gibt es einen großen Stuhlkreis und jeder stellt sich einmal vor. Es werden Fragen gestellt und beantwortet, die Jungs sind sehr interessiert und wollen alles Mögliche über unser Leben in Deutschland wissen, aber auch wir erfahren einiges über ihr Leben und die Bedeutung des Rehabilitierungsprogrammes. Die 28 jungen Männer sind zwischen 15 und 22 Jahren alt und haben teilweise mehrere Jahre im Slum gelebt. Dort mussten sie jeden Tag aufs Neue ums Überleben kämpfen, viele von ihnen waren drogenabhängig. Das Rehabilitierungsprogramm geht 12 Monate. Kalter Entzug von Anfang an. Wir besuchen sie am Ende des Programms, und was wir sehen, ist berührend! Wir erleben Jugendliche mit Träumen und Zielen. Sie wollen Mechaniker oder Elektriker werden, wollen einmal zu den Besten auf ihrem Gebiet gehören. Wenn man sie fragt, wo sie in zehn Jahren stehen wollen, fangen sie sofort an zu träumen. Kinder wollen sie haben, einer will berühmter Schauspieler werden. Zu wissen, dass diese Jungs vor über 12 Monaten noch auf der Straße gelebt haben, nicht wissend ob sie den nächsten Tag überhaupt erleben werden, berührt mich und lässt mich realisieren was für eine große Auswirkung ein so kleiner Verein aus Witten haben kann.